Blog Detail

Jan 04, 2021
  • imagesBy Cosima Kast

Kleine Vorschau zum geplanten Buchtitel „WARUM – STUMMER SCHREI“

Zur Zeit ist ein weiteres Buch von Coach und Autor Alessandro de Poloni in der Bücherschmiede. Es handelt von dem sensiblen Thema Kindesmisshandlung, -Missbrauch. Anfangs geht er darauf ein, warum Menschen zu solchen Taten fähig sind und berichtet danach über eine wahre Begebenheit. Im Anschluss stellt Alessandro de Poloni seine entwickelte 3-Säulen-Therapie (Körper-Geist-Seele) traumatisch erkrankter Menschen vor:

  • Die Körper-Säule beinhaltet die allgemein bekannte Schulpsychologie (Ursachenfindung).
  • Bei der Geist-Säule, welche das EGO oder auch ICH definiert, lehne ich mich an die bekannte Methode der Psychologin und Bestsellerautorin Stefanie Stahl (Das Kind in Dir muss Heimat finden) an.
  • Die Seelen-Säule behandelt unsere wahre Wesenheit bzw. den Umstand, dass es keine Vergangenheit und keine Zukunft gibt, sondern nur das „JETZT“, was zur Folge hat, dass auch die Misshandlung bzw. der Missbrauch JETZT geschieht. Das wiederum ermöglicht dem Patienten, das traumatisierte Kind zu sich zu holen und zu beschützen. Weiterhin kann der Betroffene auf diesem Weg die Erfahrung machen, dass seine eigene Wesenheit bewusst diese Erfahrung machen wollte – das Erlebte also keine Strafe ist und schon gar nicht selbst heraufbeschwört wurde.

Dieses wertvolle Buch wird nicht nur Betroffenen eine Hilfe sein, sondern auch vielen, durch die SARS-CoV-2 Pandemie, traumatisierten Menschen.

 

Leseprobe:

(…) Ich kann heute nicht mehr sagen, wie alt ich damals war, acht oder neun Jahre alt, glaube ich.
Ich stand in der Küche meiner Eltern und machte „wie immer“ den Geschirrabwasch. Diese Tätigkeit gehörte wie viele andere Putz- und Aufräumarbeiten zu meinen täglichen Pflichten. Ich hatte mich über die Jahre hinweg daran gewöhnt. Es machte mir auch nichts aus, fast den ganzen Tag über, das Elternhaus sauber zu machen. Im Gegenteil, es war die Zeit, in der ich in „meine Welt“ tauchen konnte.
Die auferlegten Arbeiten erledigte ich eher mechanisch, denn in Gedanken war ich in einer Welt, in der mich meine Eltern liebten. In dieser Welt hatte ich nie Hunger oder Durst. Ich wurde nie geschlagen, sondern konnte mit meinen Freunden spielen und lachen. Ich erlebte diese Welt so intensiv, dass ich dabei sogar den Geruch der Blumen in der Nase hatte.

Wie gesagt, ich stand in der Küche und machte den Geschirrabwasch, während meine Gedanken weit, weit fort waren, eben in „meiner Welt“. Plötzlich stand meine Mutter neben mir. Sie hatte wieder diesen starren Blick, der ihre Augen irgendwie größer machte. Ohne ein Wort zu sagen, zog sie mich an den Ohren in Richtung Küchenvitrine. Dort lag die Suppenkelle, die ich vor wenigen Minuten abgewaschen und in die Schublade gelegt hatte.
„Was ist das!?“, schrie sie mit schon fast überschlagender Stimme. Wieder einmal wusste ich nicht, was sie von mir wollte, daher antwortete ich nicht gleich.
„Soll das etwa sauber sein?“, fuhr meine Mutter in der gleichen Tonlage fort. Jetzt wusste ich was sie meinte, daher antwortete ich mit einem leisen Ja.
„Waaaaas?!“, kam es daraufhin von meiner Mutter, allerdings hatte sich der Ton ihrer Stimme gefährlich verändert. Jetzt klang er böse, tiefer und angsteinflößend. Und dann sprach sie ihren magischen Satz:
„Warte, Dir werde ich helfen!“.
Diese Worte bewirkten, dass ich regelrecht erstarrte, während mein Kopf leer und leerer wurde und mein Blick irgendwie „ins Nichts“ lief. Ich konnte aber sehen, wie meine Mutter die schwere Suppenkelle in die Hand nahm, sie über ihren Kopf schwang und zu einem fürchterlichen Schlag ausholte … .

Es ging nicht, ich konnte mich nicht bewegen, nur warten, bis die Kelle meine rechte Stirn traf. Ich kannte dieses Gefühl, diese Kälte, das Brausen in den Ohren, die Schwärze vor meinen Augen und den Geschmack meines Blutes, das von der Stirn abwärts in meine Mundwinkel floss. Aber noch hatte sie nicht genug. Mit einem wütenden „Duuuuu!!!“, holte sie erneut zu einem Schlag aus. Wieder konnte ich nur erstarrt darauf warten, dass mich die Kelle traf … .

Der Schlag hatte mich auf die andere Seite der Küche, in Richtung Waschbecken geschleudert. Ich fühlte nur noch Kälte. Das Brausen in meinen Ohren war nun so laut, dass ich das Gefühl hatte, mein Kopf würde sich ausdehnen. Vor meinen Augen war nur noch Schwärze. Ich spürte, wie ich langsam auf den Küchenboden sackte, wobei sich dieser unangenehm kalt anfühlte.
Diese Kälte aber bewirkte, dass „das Schwarze“ vor meinen Augen verschwand. Vom Küchenboden aus schaute ich nach oben und konnte erkennen, dass die hellen Kacheln über dem Waschbecken voller Blut waren. Irgendwie beruhigte mich dieser Anblick. Jetzt wusste ich, sie hatte genug, es ist Blut geflossen!
Wie aus weiter Ferne hörte ich aber dennoch wieder die Stimme meiner Mutter. Als mein Blick in ihre Richtung glitt, sah ich sie verschwommen immer noch dastehen, den Arm mit der Kelle in der Hand, zum erneuten Schlag ausholend … .
Aber der Schlag kam nicht … warum? … wieder ging mein Blick in ihre Richtung. Jetzt konnte ich es erkennen: mein großer Bruder stand plötzlich neben ihr und hielt mit beiden Händen ihren zum Schlag erhobenen Arm fest. Nun konnte ich auch seine Stimme hören:
„Hör auf, Du bringst ihn ja um!“
Bei diesen Worten schossen mir die Tränen in die Augen und in meinem Kopf formte sich ein einziger Satz: Ich liebe Dich mein großer Bruder … und dann wurde es endlich, endlich dunkel um mich.

Nach einer Woche im Koma wachte ich, wie schon öfters, in einem weichen, weißen Klinikbett auf.

ER hat mich wieder gesehen! Dieser Satz war stets dann in meinem Kopf, wenn ich wegen diverser Verletzungen eine Zeit lang in einer Klinik sein musste. ER, das war der liebe Gott. ER hat viel zu tun, aber er schaut immer wieder nach mir und hilft mir, dass ich nicht immer hungern muss, nicht immer geschlagen und missbraucht werde. Wenn er mal nicht schauen kann, dann schickt er Helfer, die mich retten, so wie meinen großen Bruder.
Ja, daran habe ich damals fest geglaubt. Das hat mir Sicherheit gegeben, aber auch das Gefühl, nicht alleine zu sein.

Viele Jahre später habe ich erfahren, dass mein Bruder in größter Panik den Notarzt gerufen hatte. Im Krankenhaus hatte man dem erstaunten Klinikpersonal erzählt, ich wäre beim Toben in der Küche gegen die Vitrine geschlittert. Diese Erklärung muss wohl ausgereicht haben, denn weder das Jugendamt, noch die damalige Fürsorge interessierten sich für mich. (…)